Beitrag zur Beschneidungsdebatte

2012 09 07


Am 26. Juni 2012 entschied das Landgericht Köln erstmals, dass die Beschneidung nicht einwilligungsfähiger Jungen aus rein religiösen Gründen, den Tatbestand der einfachen Körperverletzung erfüllt; das Grundrecht des Kindes auf körperliche Unversehrtheit überwiege Religionsfreiheit und Erziehungsrecht der Eltern: Pressemitteilung des Landgerichts (pdf).

Die Reaktionen der betroffenen Religionen waren ja zu erwarten: Juden und Muslime sehen sich als Opfer, ihre Religionsfreiheit werde ganz klar angegriffen.


Ist Religionsfreiheit der Eltern mehr Wert als Rechte des Kindes?


Christopher Hitchens über Beschneidung

Im Judentum ist die Brit Mila der Eintritt in den Bund mit Gott. So wird ein Kind, das noch nicht in der Lage ist selbst zu entscheiden, von den Eltern schon für deren Religion gebrandmarkt. Mir stößt schon die Zwangsbeglückung der christlichen Kindertaufe sauer auf, aber die kommt wenigstens ohne Amputationen aus. Um nicht alle Juden in einen Topf zu werfen, will ich fairerweise erwähnen, dass es alternativ auch die Brit Shalom gibt, die keine Verstümmelung beinhaltet.

Im Islam ist es so, dass der Koran zum Thema Beschneidung schweigt. Sie ist Hadith, eine Art überlieferter Tradition; vereinfacht ausgedrückt: Nachahmung des Propheten Mohammed. Wenn das mal kein guter Grund ist etwas zu tun... frei nach monkey see, monkey do. Aber natürlich gibt es auch Muslime, die nichts davon halten.

Schön, soll sich jeder beschneiden lassen, wenn ihm das sinnvoll erscheint, aber wieso dürfen Kinder nicht erst zu dem Punkt kommen, wo sie diese Entscheidung auch selbst treffen können? Wo bleiben hier Religionsfreiheit und Recht auf Selbstbestimmung des Kindes? Die deutsche Giordano Bruno Stiftung hat eine Kinderrechtskampagne gegen Zwangsbeschneidung gestartet, die fordert, das Selbstbestimmungsrecht von Kindern über die Beschneidungsinteressen der Eltern zu stellen.


Aber hat Zirkumzision nicht tolle hygienische Vorteile?

In den Medien liest und hört man oft von hygienischen Vorteilen als Argument für Beschneidung. Die WHO empfiehlt sie sogar als wirksames Mittel gegen die Verbreitung von HIV. Die Versuche auf die sich diese Empfehlung stützt, waren aber derart fragwürdig, dass sich viele Ärzte und Organisationen dagegen aussprechen. (Mehr dazu auch bei www.nocirc.org oder www.doctorsopposingcircumcision.org)

Tatsächlich ist es so, dass die meisten Studien entweder keine – oder wenigsten nicht konklusive – Daten über hygienische Vorteile von Zirkumzision liefern. Deutsche Mediziner (und Juristen) haben einen offenen Brief verfasst, in dem sie schreiben:

Zusammenfassend kann man aus ärztlicher Sicht eindeutig sagen, dass es keine medizinischen Gründe für die Entfernung einer gesunden Vorhaut bei einem gesunden, nicht einwilligungsfähigen kleinen Jungen gibt.



Fazit

Die Gesetzeslage ist eigentlich klar: Körperverletzung ist illegal. In der UN-Kinderrechtskonvention, ratifiziert von Deutschland wie Österreich, steht auch:

Die Vertragsstaaten treffen alle wirksamen und geeigneten Maßnahmen, um überlieferte Bräuche, die für die Gesundheit der Kinder schädlich sind, abzuschaffen.

Umso trauriger finde ich es, dass man sich anscheinend eher darum bemüht, der rituellen Verstümmelung von Kindern eine Sonderregelung einzuräumen. Aber immerhin läuft in Deutschland eine richtige Debatte. In Österreich ist da eher wenig los; wenigstens die Initiative gegen Kirchenprivilegien fordert ein Verbot. Und verboten gehören solche barbarischen Bräuche meiner Meinung nach auch. Nicht um den Leuten ihre Religion zu nehmen, sondern um die Rechte der Kinder zu schützen. Wo jemand denkt, seine Religion gäbe ihm das Recht andere zu verletzen, brauchen wir ein Gesetz, dass dem entgegenhält. Immerhin ist es Christen auch verboten Homosexuelle und unartige Kinder zu steinigen, auch wenn die Bibel es gebietet.

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